Meine ganz persönliche dystopische Bestandsaufnahme

Veröffentlicht: April 27, 2013 in Dies & Das, Dystopie
Schlagwörter:, , ,

Nachdem mir vor knapp vier Jahren der ersten Band von Suzanne Collins „Hunger Games“ in die Hände gefallen ist, hat mich die Faszination der dystopischen Jugendliteratur nicht mehr losgelassen. Seitdem habe ich knapp siebzig weitere deutsch- und englischsprachige Dystopien verschlungen und derzeit fünfzig von ihnen hier in meinem Blog rezensiert.

In der März-Ausgabe 2013 des „Eselsohr“ beklagt Johannes Rüster in seiner dystopischen Bestandsaufnahme, dass die Dystopie immer mehr das neue Mädchenbuch werde, voller Melodramatik, aber ohne die Härte, die seiner Meinung nach eigentlich zu einer Dystopie gehöre.

Ich gebe zu, dass auch mich als männlicher Jugendbuchleser hin und wieder nervt, dass die männlichen Protagonisten in der Minderheit sind und zumindest in einigen Dystopien der Zuckerguss etwas dick aufgetragen ist. Dieses Phänomen ist aber kein reines Problem der dystopischen Literatur, sondern betrifft eigentlich den kompletten Jugendbuchmarkt. Man muss im Mainstreambereich nur auf die Cover gucken und traut sich als Junge eigentlich schon fast nicht mehr, im Buchladen zuzugreifen :-(.

Trotzdem bin ich nicht der Meinung, dass man Angst haben muss, von einer Flut ewig gleicher klischeebehafteter Dystopien erschlagen zu werden. Klar finden sich in den Jugenddystopien immer wieder Pubertätsmetaphern – aber hey, das geht doch die Zielgruppe auch etwas an. Was für Erwachsene gegebenenfalls manchmal scheinbar belustigend wirkt, schafft doch Identifikationspotential für jugendlichen Leser(innen). Jobprobleme, Steuererklärung und Erziehungsstress können dann in der späteren Literatur thematisiert werden ;-).

Wer nicht nur auf den Mainstream-Tischen großer Buchhandelsketten nach Jugend-Dystopien sucht, sondern auf dem deutschen oder internationalen Büchermarkt etwas genauer hinguckt (eine Hilfe könnte z.B. die Seite DystopischeLiteratur.org sein) , hat die Chance, Bücher für Mädchen wie auch für Jungen zu finden, die zahlreiche Facetten dystopischer Literatur abdecken.

Ob dabei wie bei George Orwell die Vorstellung des Blicks in der Zukunft zwingend ein Stiefel sein muss, der immer und immer wieder in ein menschliches Gesicht tritt, ist vermutlich Geschmackssache. Für mich dürfen Dystopien je nach Alter und Sensibilität des (jugendlichen) Lesers unterschiedliche thematische Ausrichtungen und „Härtegrade“ haben.

Meine dystopische Lesereise war bis jetzt auf jeden Fall sehr abwechslungsreich:

Gestartet bin ich wie gesagt bei Suzanne Collins und ihrer Reality-Show-Kritik verpackt in den dystopischen „Hunger Games“. Dann gab es die Szenarien, die die Welt in Eis und Kälte gestürzt haben wie z.B. die Susan Beth Pfeffer Bücher oder auch ganz stark Mike Mullins Ashfall-Trilogie. Unter anderem Beth Revis in ihrer Godspeed-Serie oder auch J. Barton Mitchells Conquered Earth Serie und Dan Wells mit Partials bedienen SciFi-Elemente. Ernest Cline schickt seine Leser in Ready Player One in die Gamer-Welt, während Mira Grant in Feed mit Zombies überrascht.

Ebenso vielfältig waren auch die Schauplätze, die von der Zukunft der Menschheit in der Tiefsee, in unterirdischen Tunneln, unter abgeschirmten Kuppeln oder auch im Weltall erzählten.

Besonders gut gefallen mir Dystopien, die aktuelle Themen aufgreifen, die so gar nicht dystopisch sind, sondern eventuell nur überspitzt dargestellt wurden. Dazu gehören Genmanipulationen, Sterbehilfe, Einschränkung persönlicher Freiheit zugunsten von Sicherheit der Allgemeinheit, Organspenden, Kindersoldaten, Korruption, Krieg, Klimawandel und und und….

Ich fühle mich nicht von einer Dystopie-Welle überrollt oder angeödet, sondern entdecke immer wieder Neues und Spannendes. Vielleicht suche ich aber auch einfach nur in größeren Gewässern nach der perfekten Welle, damit keine Langeweile aufkommen kann ;-). Sicher gibt es auch in der dystopischen Literatur gute und weniger gute Bücher und die Auseinandersetzung mit den verschiedensten Zukunftsszenarien ist garantiert Geschmackssache – Eintönigkeit kann man dem Genre jedoch meiner Meinung nach nicht vorwerfen.

Hinterlasse einen Kommentar